Kiev 4A – die russische Contax

Bei der Kiev 4A handelt es sich um eine Messsucher-Kamera in einem soliden Metallgehäuse. Geladen werden 135er-Filme. Im Gegensatz zur Kiev 4 verfügt sie über keinen eingebauten Belichtungsmesser. Dadurch ist das Erscheinungsbild deutlich eleganter und die Kamera handlicher. In einem weiteren Blogbeitrag beschreibe ich meine Praxiserfahrung mit der Kiev 4A.

Geschichte der Kiev 4A

Produziert wurde die Kiev 4A durch die Firma Arsenal in Kiev. Die Produktion lief von 1956 bis 1980. In dieser Zeit entstanden mehrere Modellvarianten. Diese werden auf der Website sovietcams.com aufgeführt und kurz beschrieben. Die Kiev Rangefinderkameras basieren auf der Contax II, die vor dem Zweiten Weltkrieg von Zeiss in Deutschland produziert wurde.

Die Siegermacht Russland demontierte nach dem Krieg die Produktionsanlagen als Reparationsleistungen und startete danach in Kiev mit deutschem Fachpersonal die Produktion. Die Rahmenbedingungen waren also die selben wie für die Contax II. Die bis in die ganz frühen Siebziger-Jahre produzierten Kiev 4A-Kameras waren von relativ hoher Qualität. Danach wurde diese nach und nach eher schlechter. Deshalb empfielt es sich, früh gebaute Kameras zu kaufen. Das Alter lässt sich anhand der Seriennummer feststellen. Meine Kiev 4A hat die Seriennummer 6202037 und wurde folglich im Jahr 1962 hergestellt.

contax II

Contax II | CC0 Ur Cameras, via Flickr)

Das Äussere

Das Design der Kiev 4A ist durch klare Linien geprägt. Von vorne betrachtet wird sofort klar, dass es sich um eine Messsucher-Kamera handelt. Rechts ist das Sucherfenster (1), links das Fenster des Messsuchers (2) zu erkennen. In der Mitte, direkt über dem Objektiv, prangt der der Schriftzug «Kiev» in kyrillischer und in lateinischer Schrift. Dies deutet darauf hin, dass die Kameras auch für den Export gebaut wurden.
Der Selbstauslöser (3) wird durch eine Drehung um 90° im Gegenuhrzeigersinn gespannt. Danach erscheint ein Knopf, mit dem durch leichtes Schieben nach links der Selbstauslöser gestartet werden kann. Bei meiner Kamera löst dann nach etwa 11 Sekunden der Verschluss aus. Unter dem Sucherfenster ist der PC-Blitzsynchronanschluss (4) zu erkennen. Damit lassen sich externe Blitzgeräte bei einer Synchronzeit von von 1/25 s ansteuern.
Die Oberseite der Kiev 4A sieht aufgeräumt aus. Mit dem grossen Drehknopf (5) lässt sich der Verschluss spannen und die Kamera auslösen. Auch die Verschlusszeiten werden hier eingestellt. Dabei ist immer strikte darauf zu achten, dass zuerst der Verschluss gespannt wird, bevor die Verschlusszeit verstellt wird!! Ansonsten kann der gesamte Mechanismus Schaden nehmen, was die Kamera schlussendlich unbrauchbar macht. Der Auslöser ist mit einem Innengewinde versehen, an welches ein Kabelauslöser angeschlossen werden kann.
Nach dem Einlegen eines Films wird der Bildzähler (6) händisch durch Drehen am Einstellungsrad (7) auf Null gestellt. Die aktuelle Aufnahmennummer lässt sich leicht ablesen. Weiter links befindet sich ein Cold-Shoe (8), auf dem sich ein Blitz oder Zubehör befestigen lässt. Hier ist auch die Seriennummer der Kamera eingraviert. Der Rückspulknopf (9) für den belichteten Film ist ganz links auf der Gehäuseoberseite angebracht. Darin integriert ist eine Merkscheibe für die Empfindlichekeit des eingelegten Films in der russischen Einheit GOST, wie sie bei älteren russischen Kameras verwendet wurde..
Der Kameraboden verfügt über zwei Drehknöpfe (10 & 11), mit welchen je durch eine halbe Umdrehung das Kamerarückteil gelöst und dann komplett abgenommen werden kann. Ebenfalls auf dem Kameraboden sind das Stativgewinde (12) und der Knopf zur Filmentriegelung (13) fürs Zurückspulen zu erkennen.

Sucher und Messsucher

Als Messsucher-Kamera erlaubt die Kiev 4A dem Fotografen beim Blick durchs Sucherfenster gleichzeitig die Scharfstellung und die Wahl des Bildausschnitts. Dies ist möglich, da das Bild des Messsuchers im Sucher eingeblendet wird. Mit Hilfe des Rades zur Enfernungseinstellung (14) auf der Oberseite der Kamera oder durch kann dieses mit dem Sucherbild zur Deckung gebracht werden. Dies ist bei meiner Kamera dank der relativ hohen Helligkeit recht einfach zu bewerkstelligen und die Resultate überzeugen von der Bildschärfe her. Zur grossen Präzision trägt die Tatsache bei, dass der Abstand von Sucher- und Messsucherfenster 9 cm beträgt. Dies ermöglicht ein sichereres Fokussieren als bei vergleichbaren alten Kameras, bei denen diese Distanz deutlich geringer ausfällt. Das Scharfstellen kann auch direkt am Objektiv erfolgen. Da der Entfernungsring auf der Postition «Unendlich» einrastet, erweist sich die Betätigung des Rades auf der Kameraoberseite, das gleichzeitug eine Entsperrfunktion (15) für den Distanzring integriert hat, meist als einfacher und praktischer. Damit beim Haltern der Kamera das Messsucherfenster frei bleibt, muss die Kiev 4A speziell gehalten werden. Bekannt ist dies als «Contax Griff», bei dem der Zeigefinger der rechten Hand auf dem Auslöser liegt, während mit dem Mittelfinger, das Fokusierrad mit Entriegelung betätigt wird. Dies wirkt für alle, die das erste Mal mit einer Kiev 4A fotografieren, etwas eigenartig. Doch schon nach kurzer Zeit wird dies beim Bedienen der Kamera zu Routine.
Der Messsucher der Kiev 4A ist für das Standardobjektiv mit 50 mmm Brennweite ausgelegt. Werden andere Brennweiten verwendet, passt der angezeigte Ausschnitt im Sucher nicht mehr. Abhilfe schaffen in diesem Falle als Zubehör erhöltliche Aufstecksucher, die auf dem Cold Shoe monitert werden.

Der Metallring, welcher auf der Kamerarückseite den Sucher abdeckt, birgt ein Problem für Brillenträger Er ist grob gerippelt, was zu Kratzern auf den Brillengläsern führen kann. Für meine Kiev 4A habe ich aus dünner, selbstklebender Velourfolie passende Ringe gestanzt. Der erste, den ich aufgeklebt habe, hält extrem gut und löst das Problem zuverlässig.

Der Verschluss

Die Belichtung wird über einen vertikal verlaufenden Verschluss aus Metalllamellen gesteuert. Die Verschlusszeiten werden mit dem Rad oben rechts auf der Kamera eingestellt. Unbedingt beachtet werden muss, dass die Zeiten erst dann verstellt werden, wenn der Verschluss gespannt ist! Mein Modell der Kiev 4A verfügt über die folgenden Verschlusszeiten: B, 1/2, 1/5, 1/10, 1/25, 1/50, 1/125, 1/250, 1/500 und 1/1250. Es stellte sich aber heraus, dass 1/1250s nicht erreicht wurde. So wurde in später produzierten Modellen der Kiev 4A die Beschriftung auf 1/1000 angepasst, mechanisch aber nichts geändert.

Das Standard-Objektiv

Standardmässig wurde die Kiev 4A mit einem Jupiter-8 oder Jupiter-8M Objektiv ausgeliefert. Beide Linsen haben eine Festbrennweite von 50 mm und eine maximale Blendenöffnung von f/2. Meine Kamera ist mit einem Jupiter-8M aus dem Jahr 1961 ausgestattet. Es handelt sich um ein Anastigmat, basierend auf dem Objektiv «Zeiss Sonnar», das bereits 1929 entwickelt wurde. Das Objektiv wird über ein Contax-Bajonett an die Kamera angeschlossen.

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