Die Idee

Bilder an einem Fenster mit Regentropfen auf der Scheibe haben immer eine spezielle Wirkung. Je nach Lichteinfall und Menge der Wassertropfen entstehen ganz unterschiedliche Stimmungen. Damit lässt sich in der Portraitfotografie gut spielen. Grundsätzlich bieten sich mir als Fotograf zwei Möglichkeiten: entweder suche ich eine passende Location, oder ich versuche eine Szene im Fotostudio zu gestalten. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. OnLocation trägt der gewählte Ort und die herrschende Lichtstimmung wesentlich zur Bildstimmung bei. So werden die gemachten Bilder vermutlich einzigartiger. Doch zeigen sich dabei auch Nachteile. Zeitlich müssen das Model und ich recht flexibel sein, um diesen Vorteil auch bewusst zu nutzen. Die Herausforderung zeigt sich darin, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, was sich bei berufstätigen Leuten teilweise als recht schwierig herausstellen kann. Um sicherer planen zu können, entschied ich mich für ein Projekt im Studio, also mit total anderen Rahmenbedingungen.

Ursprungsbilder und Ergebnisbild

Bild mit der nassen Scheibe: Tutorial «Wet Glass» von DomQuichotte (fx-ray.com/tutorials/wet-glass/)

Die Bildidee, welche ich umsetzen wollte, hat eine Vorgeschichte. Bereits im Jahre 2016 entstand eine erste Bildserie zum Thema «Regenfenster». Den Anstoss zur Umsetzung gab mir damals das Videotutorial «Wet Glass» von DomQuichotte. Mit der vorgestellten Idee wollte ich in erster Linie meine Kenntnisse in der Bildretusche mit Photoshop vertiefen. Im Tutorial von DomQuichotte geht es darum, vor eine gewöhnliche Portraitaufnahme eine neue Ebene mit einem Bild einer verregneten Fensterscheibe zu platzieren und mit Photoshop-Techniken den halbtransparenten Look zu gestalten. Ergebnisbilder dieser Arbeit gibt es in meinem Portfolio-Beitrag. Irgenwie wirken die Ergebnisse nicht ganz echt. Dies mag sicher mit den unterschiedlichen Lichtsitutionen der Einzelaufnahmen zusammenhängen.

Planung und Einrichten

Zeit also, einen neuen Versuch zu starten. Wie gewohnt erstellte ich zuerst ein Moodboard. Dies hilft mir bei den meisten Shootings, erste Überlegungen zu möglichen Bildstimmungen anzustellen. Gleichzeitig «lese» ich das Licht in den Bildern und skizziere so dann mögliche Lichtsets. Manchmal teste ich diese bereits vor dem Shootingtermin mit der Software set.a.light 3D von elixxier. Im aktuellen Projekt war dies weniger geeignet. Die durchsichtige Scheibe mit Wassertropfen kann nicht simuliert werden. Der abgebildete Set-Plan gibt trotzdem einen Eindruck vom Aufbau der einzelnen Elemente.

Setplan Regenfenster-Shooting

Der in set.a.light erstellte Set-Plan (zum Vergrössern klicken)

Für die praktische Umsetzung nutzte ich den Bartisch mit schwarzer Platte, der in unserem Studio steht. Die Tischhöhe von 90cm ermöglichte es dem Model, sich auf einen Barhocker zu setzen oder sich hinter den Tisch zu stellen. Weiter kamen zwei Hintergrundsysteme zum Einsatz. An einem brachte ich etwa zwei Meter hinter dem Tisch einen schwarzen Stoffhintergrund an, denn ich plante LowKey-Aufnahmen. Das zweite Hintergrundsystem stellte ich so auf, dass die horizontale Stange auf etwa zwei Metern Höhe quer über den Tisch führte. An diesem System wurde dann mit Gaffer-Tape das «Fenster» befestigt. Es stammte aus einem grossen Wechselrahmen, den ich bei mir im Keller gefunden hatte. Die Plexiglas-Fläche hatte Vor- und Nachteile. Einerseits war das Handling recht einfach. Ein Glasbruch musste nicht befürchtet werden. Andrerseits sind solche Flächen recht empfindlich für Kratzer.

Für das Ausleuchten der Szene verwendete ich lediglich einen einzigen Jinbei MSN II 600, diesmal mit einer Oktabox von 90cm Durchmesser. Eingesetzt waren der Innen- und der Aussendiffusor mit einem Grid. Damit hielt ich den Lichtkegel des Blitzes so eng, dass der Hintergrund kein Licht abbekam. Auch ich als Fotograf sollte nicht angeblitzt werden, damit ich mich nicht auf der Plexiglasscheibe spiegelte. Von der dem Blitz abgewandten Seite hellte ich die Szene mit einem 2m hohen Aufheller aus Styroper ganz leicht auf. Das geplante Set funktionierte schlussendlich auch perfekt, wie die Beispielbilder am Schluss des Beitrags zeigen. Meine Bedenken, dass sich die Studioeinrichtung spiegeln könnte, erwiesen sich als unberechtigt. Mit ausgeschaltetem Hauptlicht und nur einer gedimmten Stehleuchte weit im Hintergrund schlich sich das Studio nicht visuell in die Aufnahmen und wir hatten trotzdem ein schwaches Grundlicht im Raum. Dies erleichterte die Arbeit von Model und Fotograf.

Das Shooting

Nach dem Eintreffen des Models standen als erstes Versuche mit dem Aufbringen der Regentropfen auf die aufgehängte Plexiglasscheibe an. Irgendwo im Web hatte ich mal gelesen, dass die Zugabe von Glyzerin schönere Tropfen ergäben. Nach Gefühl mengte ich dem Wasser in der Sprühflasche immer mehr Glyzerin bei, bis das Ergebnis stimmte. Natürlich trug auch die Menge des versprühten Wassers zur Wirkung des Tropfenbildes und der natürlich erwünschten Wasserläufe bei. Da sollte man sich einfach langsam an die optimalen Bedingungen rantasten.

Zuerst waren noch leichte Korrekturen bei der Detailausrichtung des Blitzkopfes nötig, damit keine allzu hellen Stellen in der oberen Ecke der Plexiglasscheibe entstanden. Dann ging es endlich ans Fotografieren. Ich als Fotograf änderte meine Postion dabei nur leicht seitlich und in der Höhe. Das Model brachte mit variablen Posen unterschiedliche Stimmungen ein. Alles lief recht flott. Lediglich das Fokussieren ist eine Herausforderung. Ich entschied mich schlussendlich, manuell auf das Model scharfzustelllen. Mit eingeschaltetem Autofokus gab es zu viel Ausschuss bei den Aufnahmen. Zu testen wäre, ob ein Stativ für die Kamera eine weitere Erleichterung bringen würde.

Model: Jessica

Diesen Beitrag teilen…