In meinen letzten Beitrag beschrieb ich die Planung und Umsetzung des Studio-Sets «Am Regenfenster». In jenem Photoshooting setzte ich ein Set um, das ich eher theoretisch geplant hatte und dann in der Praxis umsetzte. Im Nachhinein beurteile ich das Vorhaben auf Grundlage der entstandenen Bilder als gelungen. Die wesentlichen Ziele waren zu meiner Zufriedenheit erreicht. Doch wie sagte schon Henri Cartier-Bresson:

“Your first 10’000 photographs are your worst.” (Henri Cartier-Bresson)

Dies bedeutet für mich, dass ich durch viel Praxis weiter komme und neue, bessere Bilder entstehen können. Dabei treten zwischendurch auch Misserfolge bei der Umsetzung von Ideen auf, was dann im besten Fall zu neuen Erkenntnissen und Ansätzen für Verbesserungen führt. So oder so nehme ich bereits umgesetzte Shootingideen in neuem Kontext immer wieder gerne auf. Dabei befürchte ich keineswegs, dass so alle Bilder gleich aussehen werden. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass ein Set-Design immer wieder neuartige Aufnahmen liefern kann. Die bereits umgesetzten Shootings fliessen in ganz unterschiedliche Form in spätere Projekte ein. Ich versuche dann beispielsweise das Licht in einer neuen Variante zu setzen oder mit Outfits und Requisiten eine neue Grundstimmung zu erreichen. Eine grosse Bedeutung kommt gemäss meinen Erfahrungen immer dem Model zu, mit welchem ich ein geplantes Set bereits vor dem Shooting bespreche. Dabei werden über eine längere Zeit basierend auf einem Moodboard Ideen ausgetauscht und verfeinert. Und da spielt bei mir immer die Person, die vor der Kamera stehen wird, eine wichtige Rolle.

Das neue Set

Setplan vom ersten Shooting

Setplan aus dem ersten Regenfenster-Shooting (zum Vergrössern anklicken)

Setplan vom ersten Shooting

Setplan des zweiten Regenfenster-Shooting (zum Vergrössern anklicken)

Wie sah nun also die Fortsetzung des «Regenfenstershootings» aus? Bei der Planung eines Shooting-Nachmittags mit dem Model Fia äusserte ich den Wunsch, eine Bildserie mit Regenfenster aufzunehmen. Das Set beliess ich für eine erste Bildserie gleich wie bei meinem beschriebenen ersten Versuch. Dann wechselte ich die Anordung. Die Person sollte nicht mehr von «aussen» hinter der Scheibe gezeigt werden, sondern nach «draussen» schauen. Beim Fotografieren über die Schulter des Models wollte ich mit dem Licht-Setting unbedingt Reflexionen auf der Plexiglasscheibe erzeugen. Sollte das gelingen, hätten die Aufnehmen eine erweiterte Tiefenwirkung.

So stellte ich den Blitz nun hinter und das Model vor die Plexiglasscheibe, fotografierte also Feli über die Schultern. Die geplanten Spiegelungen in der Plexiglasscheibe entfalteten vor dem dunklen Hintergrund ihre Wirkung. Mit leichten Veränderungen der Position des Studioblitzes konnte diese optimiert werden. Wie im Set-Plan zu erkennen, stellte ich einen weissen Styropor-Aufheller rechts hinter dem Model auf, um ganz wenig Licht von dieser Seite ins Bild zu bringen.

Die Ergebnisse

«A portrait is not made in the camera but on either side of it.» – Edward Steichen

Die Galerie zeigt eine Auswahl der entstandenen Bilder. Die ersten drei Bilder in der Galerie fotografierte ich mit dem Lichtset aus dem ersten Regenfenster-Shooting. Deutlich zu erkennen ist im Vergleich zum ersten Shooting der Einfluss von Model und Outfits auf die Simmung der Bilder. Waren die Aufnahmen aus dem ersten Shooting eher auf Strukturen und Kontraste ausgelegt, prägten beim hier beschriebenen Shooting eher Farbstimmungen die den Bildlook. Solche Unterschiede faszinieren mich denn auch an der People-Fotografie. Da passt für mich das Zitat von Edward Steichen perfekt, das ich bereits bei meiner Fotoausstellung «Menschen» im März 2020 als Grundlage meiner fotografischen Tätigkeit ins Zentrum gerückt habe.

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