KW Pilot Super – eine wenig bekannte Kamera

Die wichtigsten Merkmale

Die Pilot Super ist eine frühe Spiegelreflexkamera (SLR) für 120er Rollfilm, die von 1939 bis 1941 von den Kamera Werkstätten Guthe & Thorsch in Dresden hergestellt wurde. Das kubische, von den Dimensionen her fast würfelförmige Gehäuse, ist aus Metall gefertigt und wiegt mit Objektiv 624 g. Die kantige Form wird auf der hinteren Oberkante durch eine zylindrische Ausbuchtung erweitert, in welcher die Aufnahmespule zu liegen kommt. Die Anordnung der wichtigsten Bedienelemente ist für Rechtshänderinnen und Rechtshänder optimal, befinden sie sich doch alle auf der rechten Kameraseite.

1 Filmtransportknopf
2 Verschlusszeitenknopf
3 Doppelbelichtungssperre
4 Auslöser
5 Schieber für Zeitaufnahmen
6 Anschluss für Kabelauslöser

Die Bedienelemente auf der rechten Seite der Kamera KW Pilot Super

Auf der Rückseite befindet sich lediglich ein Rotfenster mit Schiebeverschluss, durch das die Aufnahmenummern des Films sichtbar sind. Zusätzlich ist im Kameraboden ein 3/8-Zoll-Stativgewinde eingelassen.

Über die Pilot Super sind online nur wenige Informationen zu finden. So bleiben für mich einige Details ungeklärt. Bei gewissen Modellvarianten ist auf dem Deckel des Schachtsuchers ein optischer Belichtungsmesser integriert. Dieser fehlt bei meinem Exemplar, das ich in der Praxis testen durfte. Deshalb habe ich beim Belichten der beiden Testfilme die App «myLightMeter Pro» auf meinem iPhone genutzt.

Weitere Variationen gibt es scheinbar bei den möglichen Aufnahmeformaten. Grundsätzlich ist die Pilot Super für das Aufnahmeformat 6 x 6 cm ausgelegt. Gemäss Inseraten und Onlinebeiträgen konnte dieses mit Hilfe einer einzulegenden Maske teilweise auf 4.5 x 6 cm geändert werden.

Das Inserat aus der Publikation Popular Photography aus dem Jahre 1940 zeigt eine KW Pilot Super mit Belichtungsmesser und beschreibt mögliche Objektivvarianten.

Inserat zur KW Pilot Super im Heft Popular Photography, Juni 1940

Inserat zur KW Pilot Super, Popular Photography Juni 1940. Quelle: CameraWiki (via Flickr, CC BY-NC 2.0 Deed)

Das Objektiv

Das wechselbare Objektiv der Pilot Super sitzt zentral auf der Frontseite der Kamera und verfügt über ein M31 Gewinde. Zu der hier vorgestellten Kamera gehört ein K.W. Anastigmat mit 7.5 cm Brennweite und einer maximalen Blendenöffnung von 4.5. Die Blende kann stufenlos bis zu f/16 eingestellt werden.

Auf camera-wiki.org sind verschiedene alternative Objektive aufgelistet:

  • Enna Ennatar 1:4,5 oder 1:3,5, F=7,5 cm
  • KW Anastigmat 1:2,9 oder 1:3,5, F=7,5 cm
  • Laack Pololyt 1:3,5, F=8 cm
  • Ludwig Pilotar 1:2,9, F=7,5 cm

Das Einstellen der Blende beim K.W. Anastigmat kann gewöhnungsbedürftig sein, da das Objektiv leicht in der Kamerafront versenkt ist und der Knopf zum Drehen des Blendenrings daher nicht so leicht mit dem Finger erreichbar ist.

Der Verschluss

Der Verschluss der Pilot Super ist im Wesentlichen ein einfacher Schlitzverschluss. Durch Drehen des Verschlusszeitenrads im Gegenuhrzeigersinn wird der Verschluss gespannt, der Spiegel schwenkt nach unten und der Blick durch das Objektiv wird freigegeben. Die verfügbaren Verschlusszeiten sind mit 1/20, 1/50, 1/100, 1/200 sowie der Bulb-Einstellung recht begrenzt. Beim Auslösen schnellt der Spiegel nach oben und zieht mit dem für die gewählte Verschlusszeit passenden Abstand einen Schieber als zweiten Verschlussvorhang ebenfalls auf einer kreisförmigen Bahn nach oben. Dieses Prinzip ist in meinem kurzen Slow-Motion-Video zu erkennen.

Für Langzeitbelichtungen wird der entsprechende Schieber auf der rechten Seite der Kamera nach oben geschoben. Nach Betätigung des Auslösers bleibt der Verschluss in diesem Fall geöffnet, bis der Zeitschieber wieder nach unten geschoben wird. Dies funktioniert bei jeder vorgewählten Verschlusszeit, nicht nur bei B.

Die Pilot Super ist mit einer Doppelbelichtungssperre ausgestattet, die durch einen kleinen Schieber überbrückt werden kann. Ein Selbstauslöser ist jedoch nicht vorhanden.

Film einlegen

Die Rückwand der Pilot Super wird entriegelt, indem man den Federverschluss oben an der zylindrischen Ausbuchtung drückt. Anschliessend kann die Rückwand samt Kameraboden nach unten geschwenkt werden. Zuerst wird die leere Aufnahmespule in die zylinderförmige Kammer eingelegt, wofür die auf beiden Seiten montierten Knöpfe herausgezogen werden können. Der 120er-Rollfilm wird dann mit Hilfe eines Halters aus federndem Blech im Kameraboden fixiert. Über zwei Führungsrollen wird das Schutzpapier des Films zur Aufnahmespule gezogen und dort mit der Lasche befestigt. Nach zwei bis drei Umdrehungen sollte der Film sicher verankert sein und sauber über die Filmebene laufen. Anschliessend wird die Rückwand wieder durch leichten Druck geschlossen, und der Film wird auf die erste Aufnahmeposition transportiert.

Normalerweise produziert die Pilot Super Bilder im Format 6 x 6 cm. Gemäss der Anleitung soll die Kamera mit einer eingelegter Maske für Aufnahmen in der Grösse 4.5 x 6 cm umgerüstet werden können. Bei der Pilot Super, die für dieses Kameraporträt genutzt wurde, fehlen sowohl der entsprechende Adapter als auch der in der Anleitung beschriebene Punkt im Kameragehäuse. Zudem müssten für die rechteckigen Aufnahmen im kleineren Format in der Rückwand zwei Rotfenster vorhanden sein.

Detailaufnahme des Federverschlusses für die Rückwand.
Geöffnete Kamera mit eingelegtem Film

Motivwahl und Fokussierung

Auf der Oberseite der Kamera befindet sich ein aufklappbarer Schachtsucher, der durch Anheben der beiden kleinen Knöpfe, die seitlich an der Deckklappe montiert sind, geöffnet werden kann. Als Fokussierhilfe dient eine einfache Mattscheibe. Aufgrund des mitgenommenen Zustands des Spiegels konnte ich die Helligkeit des Sucherbildes nicht gut einschätzen. Der Spiegel reflektiert nur einen Bruchteil des durch das Objektiv einfallenden Lichts. Ohne Fresnelllinse im Sucherbild nehme ich an, dass das Sucherbild selbst bei intaktem Spiegel eher dunkel ist, insbesondere bei geschlossener Blende. Eine Sucherlupe ist an der vorderen Innenwand des Schachtsuchers befestigt und kann mit den bereits erwähnten Drehknöpfen hochgeschwenkt werden, um das Scharfstellen zu erleichtern. Zudem ist ein Sportsucher integriert, der durch Hochklappen eines zweiten Blechelements vorne im Schachtsucher genutzt werden kann, um Aufnahmen in Augenhöhe zu ermöglichen.

Auf der linken Seitenklappe ist eine Tiefenschärfentabelle aufgedruckt. Diese Tabelle zeigt für jede Kombination von Distanzmarkierung auf dem Objektiv und gewählter Blende an, welcher Bereich mit den gewählten Einstellungen bei der Aufnahme scharf abgebildet wird.

Beim Schliessen des Schachtsuchers werden zuerst die linke und dann die rechte Seite nach innen geklappt. Anschliessend folgt die Rückseite und zuletzt das Frontelement.

Der Schachtsucher mit hochgeklappter Sucherlupe und Tiefenschärfentabelle.

Die KW Pilot Super in der Praxis

Der Sucher der Pilot Super ist besonders bei schlechten Lichtverhältnissen sehr dunkel. Wenn der Spiegel zudem etwas beschädigt ist, wird das Fokussieren und die Wahl des Bildausschnitts noch schwieriger. Bei geschlossener Blende wird das Sucherbild weiter abgedunkelt. Daher habe ich immer zuerst mit voll geöffneter Blende fokussiert, dann die Blende auf den gemessenen Wert geschlossen und zuletzt den Aufnahmebereich bestimmt, so gut es eben ging. Bei weiteren Filmen würde ich wohl nur noch ab Stativ fotografieren. Meine Erfahrungen legen nahe, dass die Pilot Super eher eine «Schön-Wetter-Kamera» ist, auch wenn der Spiegel in Ordnung ist. Andere Quellen äussern sich ähnlich.

Den ersten Testfilm habe ich bei bedecktem Himmel ohne direktes Sonnenlicht belichtet, was zu etwas flauen Bildern führte. Deshalb entschied ich mich, bei Sonnenschein einen zweiten Film zu belichten. Die Bildqualität war minimal besser, aber auch hier konnte mich das Anastigmat 1:4,5 / 7,5 cm nicht überzeugen. Drei Musterbilder zeige ich am Schluss des Beitrags.

Für Sammler ist eine gut erhaltene KW Pilot Super sicherlich ein interessantes Objekt. Die spezielle Konstruktion hat mich fasziniert. Für alle, die gerne mit alten Kameras fotografieren wie ich, gibt es jedoch deutliche Einschränkungen in der Bedienung und der Bildqualität. Die Pilot Super ist definitiv keine Kamera, die man regelmässig dabei haben möchte.

Die Pilot Super auf einem Stativ
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