Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2 – was diese Boxkamera taugt

Meine erste Boxkamera

Bei der Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2 handelt es sich um eine Boxkamera. Dieser Kameratyp war lange als Einstieg in die Fotografie beliebt und weit verbreitet. Sie basierten auf einer günstigen Bauweise, bei der das Gehäuse teilweise aus Karton oder Holz bestand, wie etwa bei der ersten Kodak Brownie aus dem Jahre 1900, die aus mit Kunstleder überzogenem Karton gefertig war.
Die Zeiss Ikon Tengor 54/2, die ich in diesem Beitrag vorstelle, verfügt über ein Gehäuse aus Metall. Von aussen sieht die kamera wie die typische Boxkamera aus. Doch habe ich in einem Katalog von Zeiss aus dem Jahre 1938 eine Beschreibung gefunden, in welcher die Kamera als «the aristocrat of box cameras» gepriesen wurde. Wird sie diesem Anspruch gerecht? Da dies meine erste Boxkamera ist, habe ich keinen praktischen Vergleich. So berichte ich einfach mal über die Kamera, ihre Funktionen und technischen Spezifikationen. Selbstverständlich folgt darauf noch ein Test in der Praxis! Parallel zu diesem Blogbeitrag ist das Video «The Aristocrat of Box Cameras» zur Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2 produziert worden.

Brownie Boxkamera (Quelle: cogdogblog, CC0, via Wikimedia Commons)

Bedienelemente und Funktionen

Bei der Box-Tengor 54/2 handelt es sich um eine Mittelformat-Kamera, welche acht rechteckige Bilder in der Grösse von 6 x 9 cm einen 120er Rollfilm aufnehmen kann. Ich halte dieses Kameramodell das erste Mal in der Hand. Sie vermittelt mit dem Metallgehäuse einen sehr wertigen Eindruck. In der Mitte der Frontseite ist die Goerz Frontar Linse eingelassen. Umrahmt wird diese von einer sechseckigen Frontplatte. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei meinem Exemplar um eines der 1933/34 überarbeiteten Modelle handelt. Diese wurden bis 1938 hergestellt. Unterhalb des Objektivs lassen sich die weiteren möglichen Blendenwerte von 16 und 22 durch Schieben eines Hebels einstellen. Oberhalb der Linse können nach dem gleichen Prinzip drei Distanzbereiche gewählt werden.

Schauen wir uns mal alle Seiten des Kameragehäuses an. Auf der Oberseite ist ein Tragriemen (1) befestigt. Links daneben ist im vorderen Bereich der Sucher (2) für Aufnahmen im Hochformat zu erkennen. Möchte man im Querformat fotografieren, wird die rechte Kameraseite, auf der die meisten Bedienelemente zu finden sind, nach oben gedreht. Dort ist der zweite Sucher (3) der Box-Tengor verbaut. Direkt daneben ragt der propellerartige Drehknopf (4) für den Filmtransport aus dem Gehäuse. Er liegt beim Drehen gut zwischen Zeigefinger und Daumen. Ausgelöst wird mit einem kleinen Hebel (5) unten an der rechten Seitenwand, der mit einer drehbaren Sperre (6) vor ungewollten Auslösungen geschützt werden kann. Die fixe Verschlusszeit beträgt gemäss Herstellerangaben zirka 1/25 Sekunde. Um bei einer so langen Belichtungszeit Verwacklungen bei der Aufnahme zu minimieren, empfiehlt es sich, die Kamera auf eine feste Unterlage zu stellen oder ein Stativ zu verwenden. Dazu sind in den Kameraboden und in die linke Seitenwand je ein Stativgewinde mit einem Durchmesser von 3/8 Zoll eingelassen. Diese können mit Übergewinden leicht an neue Stativgewinde angepasst werden (erhältlich zum Beispiel bei ars-imago). Zusätzlich kann ein optionaler Kabelauslöser in das Gewinde (7) unterhalb des Auslösers eingeschraubt werden. Eher unscheinbar ist der kleine Hebel (8) an de Vorderkante des Kameragehäuses. Wird er nach aussen geschoben, ist die Box-Tengor bereit für Langzeitbelichtungen im Bulb-Modus.
Um einen Film einzulegen, wird Kamera geöffnet, oder besser gesagt in zwei Teile getrennt. Dazu wird mit der kleinen Metallschlaufe (9) der Stift für die Entriegelung etwa 3 mm herausgezogen.

Front der Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2
Funktionen und Bedienelemente der Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2
Auslöser Details der Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2

Das optische System der Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2

Das Objektiv «Goerz Frontar» verfügt über eine Brennweite von 100 Millimeter und ermöglicht eine maximale Blendenöffnung von 11. Beim Einstellen der weiteren Blendenwerte von 16 und 22 wird nicht mit Lamellen die Öffnung irisartig verändert, sondern eine Metallscheibe mit unterschiedlichen kreisrunden Blendenöffnungen in den Lichtgang gedreht. Das Fokussieren erfolgt über drei vorgegebene Einstellbereiche: 1 – 2 m, 2 bis 8 m und 8 m bis ∞. Dabei wird nicht das Objektiv bewegt, sondern für die beiden nahen Distanzbereiche je eine zusätzliche Linse hinter das Objektiv geschoben.

Einen Film einlegen

Das Einlegen eines 120er Rollfilms gestaltet sich als extrem einfach. Zuerst wird die Kamera in zwei Hälften geteilt. Dazu wird, wie weiter oben bereits erwähnt, der Verriegelungsstift mithilfe der Drahtöse auf der rechten Kameraseite leicht herausgezogen. Danach können die beiden Elemente sorgfältig auseinander gezogen werden. Sie bleiben jedoch über den Tragriemen miteinander verbunden. Das Einlegen eines neuen Films macht keine grossen Probleme, da sowohl die Halterungen für die Leerspule als auch den einzulegenden Rollfilm gut zugänglich sind und mit federnden Blechlaschen fixiert werden. An drei Stellen sind kleine Stifte, welche in die Spulen greifen, auf den Federblechen angebracht. Lediglich beim Hebel für den Filmtransport muss darauf geachtet werden, dass der Mechanismus sauber in den Schlitz der Leerspule passt. Der Vorspann des Films wird über die zwei schlanken Metallrollen des Filmfachs gezogen und gut im längeren Schlitz der Leerspule verankert. Danach wird der Film noch etwas weiter gespult, bis sicher ist, dass die Lasche in der Leerspule wirklich hält und der Film exakt geführt wird. Jetzt können die zwei Kamerateile wieder ineinander geschoben werden. Bei diesem Schritt muss darauf geachtet werden, dass der hintere Teil korrekt in die Nut beim Filmtransportknopf eingeführt wird. Die beiden Teile werden mit dem Verriegelungsstift durch leichten Druck auf die Metallöse wieder sicher fixiert. Die Kamera ist somit aufnahmebereit.

Zeiss Ikon Box-Tengor geöffnet

Fazit

Der Slogan «the aristocrat of box cameras», den Zeiss Ikon im Prospekt verwendet, stimmt aus meiner Sicht. Ich bin äusserst positiv überrascht und habe die Kamera vor dem Kauf total unterschätzt. Sie ist solide gebaut und verfügt über alle Funktionalitäten, die es für gute Aufnahmen braucht. Die Bedienung ist einfach und die Mechanik macht einen zuverlässigen Eindruck. Die Box-Tengor 54/2 gehörte so sicher zu den fortschrittlichsten Boxkameras ihrer Zeit.

Die technischen Daten zur Zeiss Ikon Box-Tengor 54/2 finden sich zusammengefasst in der Kamerasammlung.

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