Ernemann Film K – die Kastenkamera für Amateure

Geschichte der Ernemann Film K

Die Kamera wurde durch die Firma Ernemann-Werke A.-G. im damaligen Kamerahotspot Dresden produziert. Heinrich Ernemann machte ohne grosse Vorkenntnisse seine ersten Schritte im Kamerabau, indem er in eine Kamera-Tischlerei einstieg. Nachdem sein Kompagnon nach 2 Jahren ausgestiegen war, führte er die Firma selber weiter und baute sie in mehreren Schritten aus. Nur die Kamerakästen wurden zuerst im Werk produziert. Objektive und Beschläge liess Ernemann extern fertigen. Um diese Abhängigkeiten zu reduzieren, erweiterte er seinen Betrieb mit Werkstätten für Mechanik und Optik. So war zusätzlich eine bessere Qualitätskontrolle für die Ernemann-Kameras möglich. Bekannt waren die Ernemann-Werke für hochwertige Atelier-Kameras. Heinrich Ernemann verfolgte aufmerksam die Entwicklungen im weltweiten Kameramarkt. So wurden nach dem riesigen Erfolg einfacher Kameras von Kodak auch in den Ernemann-Werken Amateurkameras konstruiert und ins Sortiment aufgenommen.

Ernemann-Werke A.-G. Dresden

Kinsme, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Über die Ernemann Film K findet sich online wenig. Auch die mir zugängliche Literatur hat kaum Informationen. Sogar im Buch «Box-Cameras Made in Germany» (ISBN 978-3-88955-131-3) von Hans-Dieter Götz wird sie nur kurz als einfachste Kastenkamera, die als Vorläufer der deutschen Boxkameras gesehen werden kann, erwähnt. Nachdem Agfa 1915 als Konkurrenz zum Platzhirsch Kodak eigene Rollfilme auf den Markt bringt, ist der Weg zu deutschen Boxkameras geebnet. Ab 1916 brachte dann Ernemann die erste Film K auf den Markt. Sie wurde bis 1927 in unterschiedlichen Modellvarianten hergestellt.

Die Kamera im Überblick

Bei der Ernemann Film K handelt es sich nicht um ein Hightech-Gerät. Interessant sind jedoch einige Aspekte der Konstruktion. Das Gehäuse ist aus Holz gefertigt und mit Kunstleder überzogen. Dabei ist die grosse Expertise, welche die Heinrich Ernemann A.-G. beim Bau von Kameras mit Holzgehäusen gesammelt hatte, gut zu erkennen. Alle Elemente sind bei dieser einfachen Amateurkamera präzise und sauber verarbeitet. Zum Einsatz kommen 120er-Rollfilme. Meine Kamera liefert damit 8 Aufnahmen im Format 6 x 9 Zentimeter. Zusätzlich führte Ernemann Varianten der Film K für weitere Bildformate im Angebot. Ein Katalog aus dem Jahre 1924, der bei Pacific Rim Camera als PDF-Datei online abrufbar ist, zeigt auf Seite 15 Modelle für die Aufnahmeformate 4.5 x 6 cm, 6 x 6 cm, 6.5 x 11 cm und 7.25 x 12.5 cm.
Der Bildausschnitt für die Aufnahme wird mithilfe von zwei Mattscheibensuchern bestimmt. Einer davon liegt für Bilder im Hochformat oben rechts auf der Kamera (1), der zweite Sucher (2) ist in der linken Kamerawand eingelassen. Beide rechteckigen Mattscheiben messen 2 x 1.4 cm und sind dabei grösser als bei später entwickelten Boxkameras von Goerz und EHO, die ich ebenfalls in meiner Sammlung habe. Die Frontseite wird durch die auf den Kamerakasten aufgesetzte Verschlussdose (3) aus Metall geprägt. Während in den Kunstlederüberzug der linken Kamerawand der Schriftzug und das Logo von Ernemann geprägt wurden, ist das Ernemann-Logo auf der Verschlussdose bereits demjenigen von Zeiss Ikon (4) gewichen. Diese Firma entstand 1926 aus dem Zusammenschluss von mehreren deutschen Kameraherstellern (Stammbaum der Zeiss Ikon AG Dresden), darunter Ernemann aus Dresden. Bereits nach einem Jahr fiel die Ernemann Film K einer Modellbereinigung bei Zeiss Ikon zum Opfer. Die Boxkameras von Görz wurden an ihrer Stelle weiterentwickelt.
Der Propeller (5) für den Filmtransport sitzt bei der Ernemann Film K auf der rechten Kameraseite mittig oben. Im Verlaufe der Zeit änderte sich die Form der beiden Flügel. Der Filmtransport wird mit dem kreisrunden roten Fenster in der Kamerarückwand kontrolliert. Es scheint mir mit einem Durchmesser von zwei Zentimeter recht gross. Die Befürchtung, dass so zu viel Licht in die Kamera fällt und die Aufnahmen beeinflusst, hat sich bis jetzt jedoch nicht bestätigt. Vermutlich liegt dies auch daran, dass ich die Ernemann Film K nach den einzelnen Aufnahmen immer wieder in einer Kameratasche verstaute, um sie leichter transportieren zu können. Die Kamera verfügt über zwei eingelassene Stativgewinde (6) mit Innengewinden von 3/8″. Wie bei vielen älteren Kameras lassen sich dies mit Übergewinden an aktuelle Stativstandards anpassen.
Ernemann Film-K im Detail (1)
Ernemann Film-K im Detail (2)

Objektiv und Verschluss

Die gesamte Mechanik für Verschluss und Blende ist in der runden Verschlussdose zusammengefasst. Sie hat eine Dicke von 6 mm und ist mit zwei Holzschrauben auf der Kamerafront befestigt. Bei den ersten Modellen der Film K, die ab 1916 hergestellt wurden, war diese Verschlussdose noch quadratisch geformt und wurde wohl erst ab 1920 in der rund Variante verbaut. Für den Verschluss gibt es lediglich die zwei Einstellungen Moment (~1/20 bis 1/30 Sekunde) und Zeit (B). Angaben zur Verschlusszeit sind je nach Autor unterschiedlich. Zwischen den beiden Modi kann durch Schieben eines kleinen Hebels seitlich an der Verschlussdose gewechselt werden. Der recht massive Drehverschluss verläuft vor Blende und Linse. Letztere ist fix hinter der Verschlussdose in der Kamerafront montiert. So dient der Verschluss auch als Schutz der einfachen Meniskuslinse mit Fixfokus und einer Brennweite von 125 mm. Scharf abgebildet werden damit Objekte von etwa 3 m bis ∞. Die verfügbaren Blenden änderten im Laufe der Zeit. Bei meinem späten Model stehen die Blendenöffnungen 12.5, 18 und 25 zur Verfügung. Die entsprechenden Werte werden auf der Verschlussdose durch Drehen des pfeilförmigen Hebels gewählt. Auf der anderen Seite der Verschlussdose ist der Auslöser zu erkennen. Er ist sowohl im Hoch- als auch im Querformat gut zugänglich. Auch ein Anschluss für einen Drahtauslöser fehlt nicht. Der wird bei der doch langen Verschlusszeit für verwacklungsfreie Bilder zusammen mit einem Stativ wohl unabdingbar gewesen sein.

Verschlussdose mit Bedienelementen für Blende und Verschluss

Demontierte Verschlussdose: Meniskuslinse und Verschluss sind sichtbar

Einlegen des Films

Das Innenleben der Kamera lernt man am besten kennen, wenn man einen Film einlegt. Dabei unterscheidet sich das Öffnen der Ernemann Film K stark von anderen Boxkameras. Nach dem Ziehen des Verschlussbügels (A) an der linken vorderen Kante des Gehäuses lässt sich der hintere Teil (B) zur Seite klappen und gibt so den Innenraum frei. Den grössten Platz nimmt der Lichtschacht (C) ein. Wie das Gehäuse der Ernemann Film K ist auch dieser aus Holz gefertigt. Die weiteren mechanischen Teile wurden aus Metall hergestellt. Fürs Einlegen eines unbelichteten Rollfilms werden zuerst die beiden Haltebleche (D) hochgeklappt. Die unten liegende Leerspule vom letzten Film wird zuerst oben eingelegt. Greift der Transportmechanismus richtig in der Spule, kann das obere Halteblech wieder geschlossen werden. Die Aufnahmespule (E) ist somit für das Einlegen des neuen Rollfilms vorbereitet. Jetzt wird der Film im unteren Bereich auf den vorstehenden Noppen gesetzt und das untere Halteblech ebenfalls wieder nach unten geklappt. Ein integriertes Federblech sorgt mit leichtem Druck dafür, dass der Film gespannt bleibt.
Ernemann Film-K Film einlegen

Der Film wird nun über die beiden auf einem Metallrahmen sitzenden Führungsrollen (F) zur oben liegenden Aufnahmerolle geführt und in letzterer fest verankert. Danach wird das Gehäuse geschlossen und mit dem Verschlussbügel wieder sicher verriegelt. Beim Schliessen der Kamera wird die auf der Innenseite der Rückwand federnd angebrachte Filmandruckplatte (G) leicht auf das Schutzpapier des Films gedrückt, was die Planlage des Filmmaterials unterstützt. Die präzise Verarbeitung mit Falz (H) und Nut (I) in Rückwand und Gehäuse verschliesst die Box absolut lichtdicht. Mit dem Filmschlüssel oben auf der rechten Kameraseite wird jetzt, wie bei solchen Kameratypen üblich, der Film auf Aufnahme 1 gedreht. Dies kann über das Rotfenster (K) auf der Kamerarückseite kontrolliert werden. Selbstverständlich verfügt diese sehr einfache Boxkamera über keine Doppelbelichtungssperre. Deshalb sollten sich Fotografinnen und Fotografen zur Gewohnheit machen, den Film nach jeder Aufnahme sofort eine Position weiter zu spulen.

Die Ernemann Film K in der Praxis

Es eine Selbstverständlichkeit, dass ich jede meiner Kameras einem Praxistest unterziehe. Mich interessiert es, wie sie sich in unterschiedlichen Aufnahmesituationen schlägt. So machte ich mit der Ernemann Film K einen kurzen PhotoWalk, um sie etwas besser kennenzulernen. Die wichtigsten Erfahrungen fasse ich im folgenden Abschnitt kurz zusammen.
Das Einlegen und der Transport des Films machen keine Probleme. Doch merkte ich schnell, dass es gar nicht so einfach ist, mit den Mattscheibensuchern den gewünschten Bildausschnitt optimal festzulegen. Die beiden Sucher sind recht klein. Zudem sind sie nicht gut gegen einfallendes Umgebungslicht geschützt. Am besten lief es, wenn ich aus einer schattigen Position ein helles Motiv fotografierte. Damit das Suchbild einigermassen klar angezeigt wird, muss die Distanz vom Auge zu Kamera schon recht gross sein, wodurch immer eher tiefe Perspektiven gewählt werden müssen. Möchte man im Querformat ab Stativ fotografieren, darf die Stativplatte nicht zu gross sein, damit der Filmtransportpropeller, der auf der gleichen Kameraseite aus dem Gehäuse ragt, nicht in den Weg kommt. Lässt man die Stativplatte an der Kamera, kann der Filmtransport erschwert sein. Der Belichtungsspielraum ist technisch gesehen recht eng begrenzt. Ich fotografierte mit einem Fomapan 100. Bei Motiven, die voll in der Sonne standen, musste ich gemäss Belichtungsmesser bei einer Verschlusszeit von 1/25 s die kleinste Blende 25 wählen. Und auch die reichte aufgrund der Messung noch nicht ganz aus. Im Schatten dagegen war die Belichtung mit Blende 12.5 zu gering. Da hilft wohl nur ein sehr toleranter Film, der leichte Über- und Unterbelichtungen wegsteckt, denn extreme Lichtsituationen brachten die Kamera und das verwendete Filmmaterial ans Limit. Die Bildschärfe nach dem Scannen war eher enttäuschend. Konnte in der damaligen Zeit jemand Freude an einer solchen Kamera haben? Ich hatte grosse Zweifel. Doch dann ging mir plötzlich durch den Kopf, dass damals ja in erster Linie Kontaktkopien von diesen grossen 6×9-Negativen gemacht wurden. Im Gespräch mit meinem Fotokollegen Röfe Trachsler (klick-analog.org) reifte die Idee, dies einfach mal in der Praxis zu testen. In seinem Fotolabor erstellten wir von den acht Aufnahmen Kontaktkopien – und die waren gar nicht übel. Sie wirkten gut und die leichte Unschärfe, die sich im grossen Bild auf dem Monitor bemerkbar machte, spielte plötzlich keine Rolle mehr. Die Bilder, welche ich in ausgewogenen Lichtsituationen geschossen hatte, können in der Originalgrösse von 6 x 9 cm in einem Fotoalbum durchaus gut wirken.
Ernemann Film-K Kontaktkopien

Fazit

In der Praxis wird die Ernemann Film K für mich keine grosse Rolle spielen. Es ist zwar eine solide gefertigte Kamera mit hochpräziser Holzbearbeitung, doch ist sie im Vergleich zu anderen Kameras meiner Sammlung eher umständlich in der Handhabung. Die Bildqualität ist für grössere Prints ungenügend, reicht aber für Kontaktkopien. Beim Fotografieren finde ich den Einsatz eines Stativs unverzichtbar, ausser die Kamera kann auf einer stabilen Unterlage platziert werden. Dies ermöglicht zudem eine zuverlässigere Wahl des Ausschnitts. Der zur Seite klappbare Rückteil ist meines Wissens einzigartig, hat aber auch seine Schwächen. Das Scharnier ist trotz der filigranen Konstruktion stabil. Durch den Gebrauch wurde der Überzug der Kamerabox an dieser Stelle offensichtlich stark strapaziert und die stoffartige Basis war durchscheinend. Verstärkt habe ich diesen Bereich von innen mit einem dünnen Anstrich von Socken-Stop.
Kurz zusammengefasst ist die Ernemann Film K für die Kamerasammlung als Element der Geschichte der Box-Kameras interessant, taugt in der Praxis jedoch eher wenig.

Ernemann Film-K auf Stativ
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