Kaffee trifft auf Fotografie: Die Magie der Caffenol-Entwicklung

Auf Entdeckungsreise

Schwarzweiss-Filme mit Kaffee entwickeln? Allein der Gedanke daran lässt eine Faszination aufkommen! ! Fragen tauchen auf und verlangen nach Antworten. Kann das überhaupt funktionieren? Wie ist die Qualität der Ergebnisse? Welche Materialien sind notwendig, und wo sind diese erhältlich? Gemeinsam mit meinem Kollegen Röfe Trachsler (Instagram: @klickanalog) habe ich diese Herausforderung angenommen und beantworte die oben genannten Fragen in diesem Beitrag. Ich gehe davon aus, dass bei Leserinnen und Lesern bereits Erfahrungen mit der traditionellen Filmentwicklung und im Umgang mit Fotochemikalien vorhanden sind, bevor sie sich praktisch mit der Caffenol-Entwicklung beschäftigen!

Eine Tasse Kaffe steht auf dem Tisch.

Persönlich habe ich bisher noch keine Filme mit Caffenol entwickelt, während Röfe vor einiger Zeit bereits erste Erfahrungen damit gesammelt hat. In solchen Fällen ist es an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Kurzentschlossen vereinbaren wir einen definitiven Termin für unsere gemeinsame Entdeckungsreise und teilen die Beschaffung der Materialien auf. Am vereinbarten Tag bringt Röfe seinen Vorrat an Vitamin C und Kaliumbromid mit, während ich Instant-Kaffee und Waschsoda beisteuere. Zur Sicherheit habe ich in der Drogerie noch frisches Vitamin C besorgt. Das könnte ich ja später brauchen, wenn die ganze Sache zu guten Ergebnissen führt.

Grundlagen und Materialien

Wie kann die Entwicklung eines belichteten Films mit Kaffee und weiteren Zutaten überhaupt gelingen? Da ich in der Chemie nicht bewandert bin, habe ich nach einfachen Erklärungen im Internet gesucht. Zuerst einmal die Auflistung der Zutaten und deren Wirkung…

Instant-Kaffee: Die enthaltene Kaffeesäure entwickelt das Negativ.
Vitamin C (Ascorbinsäure): Unterstützt und beschleunigt die Entwicklung.
Kaliumbromid: Es verhindert die Schleierbildung, vor allem bei höher empfindlichen Filmen. Alternativ kann Kochsalz mit Jod (grössere Menge als bei Kaliumbromid!) verwendet werden.
Waschsoda: Soda macht das Gemisch alkalisch, was für die Aktivierung der Entwicklersubstanzen unabdingbar ist!

Für die Vorbereitung des Entwicklers und die eigentliche Filmentwicklung sind noch weitere Materialien nötig:

  • 1 Messbecher 1 Liter
  • Löffel und kleinere Gefässe für das Abmessen der einzelnen Substanzen
  • Feinwaage
  • Thermometer
  • Timer (Smartphone)

Wie bei anderen Entwicklungsprozessen wird noch Fixierflüssigkeit, ein Wechselsack oder ein total verdunkelter Raum und ein Entwicklungstank benötigt.

Titelbild der Publikation «Caffenol CookBook & Bible»

Rezepte für die Herstellung von Caffenol

Im Internet findet man viele Rezepte für die Caffenol-Entwicklung. Manchmal werden die benötigten Mengen in Teelöffeln angegeben, die meisten modernen Rezepte gehen jedoch von abgewogenen Mengen aus. Röfe und ich haben uns entschieden, die in den Rezepten genannten Mengen mit einer Feinwaage abzumessen. Diese Vorgehensweise führt meiner Meinung nach am ehesten zu reproduzierbaren Ergebnissen. Feinwaagen sind bereits ab CHF 12.00 im Onlinehandel erhältlich. Schon diese günstigen Geräte erfüllen ihren Zweck bestens.

Für alle, die ihre ersten Schritte mit der Caffenol-Entwicklung machen möchten, empfehle ich die Rezepte von Reinhold G., der zusammen mit weiteren Autoren sehr viel Wissen rund um das Thema Caffenol in der Publikation «The Caffenol Cookbook & Bible» zusammengetragen hat. Aus dieser Broschüre stammt auch die Tabelle mit den unterschiedlichen Rezepten, die Röfe Trachsler als Grundlage mitgebracht hat. Doch zuerst noch Erläuterungen zu den Materialien, die grundsätzlich benötigt werden.

Die Tabelle von Reinhold G. mit den Caffenol-Rezepten.

Der benötigte Instant-Kaffee ist überall erhältlich. Immer wieder ist zu lesen, dass der billigste wohl am geeignetsten sei. Er muss ja nicht besonders gut schmecken, sondern eine gute Wirkung haben. Nicht das Coffein, sondern die enthaltene Kaffeesäure ist später im Gemisch für die Filmentwicklung verantwortlich. Sie verfügt über die gleiche Wirkung wie deutlich toxischere Zutaten in kommerziellen Filmentwicklern.

Die Entwicklung wird durch das Vitamin C (Ascorbinsäure) unterstützt und beschleunigt. Empfehlenswert ist es, Ascorbinsäure zu verwenden, die in Drogerien und Apotheken erhältlich ist. In Vitamin-C-Pillen sind noch weitere Stoffe enthalten, was der Wirkung des Entwicklers nicht unbedingt zuträglich ist.

Mit dem Waschsoda wird der pH-Wert des Entwicklers eingestellt. Nur eine alkalische Lösung ermöglicht es der Kaffeesäure und dem Vitamin C als entwickelnde Substanzen überhaupt aktiv zu werden. Dringend zu beachten ist, dass die Rezepte in der Regel auf wasserfreiem Soda basieren, das pulverförmig ist. Andere Produkte mit Kristallen enthalten recht hohe Anteile an Wasser und müssen deutlich stärker dosiert werden. Das gekaufte Produkt kann im Backofen getestet werden. Dazu werden am besten 10 Gramm Soda abgewogen und im Backofen etwa 20 Minuten lang einer Temperatur von 120 Grad ausgesetzt. Dabei verdunstet allenfalls enthaltenes Wasser, und zurück bleibt das wasserfreie Soda. Dann wird nochmals gewogen. Es kann gut sein, dass mehr als 50 Prozent des ursprünglichen Gewichts bei diesem Prozess verloren gehen. Zuletzt kann auf Basis der erhaltenen Werte die Dosierung des gekauften Sodas im Rezept angepasst werden.

Den Film entwickeln

Caffenol sollte nach dem Mischen innerhalb von 30 Minuten verwendet werden und kann nicht gelagert werden. Deshalb lohnt es sich, die Mengen für den jeweils verwendeten Entwicklungstank zu berechnen. Für meinen Jobo 1510 35mm, der für Kleinbildfilme ist, werden beispielsweise 250 ml, und für Mittelformatfilme 500 ml Flüssigkeit benötigt. Die Rezepte sehen dann wie in der angepassten Tabelle aus:

Für unterschiedliche Mengen angepasste Rezepte in einer Tabelle dargestellt

Für grössere Darstellung anklicken…

Gemischt werden die Zutaten in der Reihenfolge, wie sie im Rezept aufgeführt sind. Zuerst wird das Soda im Wasser aufgelöst. Danach kommt die Ascorbinsäure dazu. Nun muss gut gerührt werden, bis das Vitamin C vollständig aufgelöst ist und keine Bläschen mehr aufsteigen. Dies kann seine Zeit dauern! Nun wird in einigen Rezepten noch das Kaliumbromid eingerührt, bevor zuletzt der Instant Kaffee dazugegeben und alles nochmals gründlich gerührt wird. Bei den Rezepten mit Kaliumbromid kann es bei so geringen Mengen schwierig werden, mit der nötigen Genauigkeit zu wiegen. Dafür hat Frank Wesp auf seiner Website eine einfache Lösung veröffentlicht. Er setzt eine Lösung von 100 ml Wasser und 10 Gramm Kaliumbromid an. Aus dieser kann er dann die gewünschte Menge mit einer Spritze entnehmen. In einem Milliliter ist dann 0.1 Gramm Kaliumbromid gelöst.

Um einen Film in den Entwicklungstank zu spulen, wird ein Wechselsack oder ein total abgedunkelter Raum benötigt. Auf diesen Arbeitsschritt gehe ich in diesem Beitrag nicht ein.

Die Zutaten für Caffenol Filmentwickler: Instant-Kaffee, Waschsoda, Vitamin C und Kaliumbromid

Nun kann die eigentliche Filmentwicklung bei 20 Grad beginnen. Sie läuft in folgenden Schritten ab:

  1. Der Film wird mit normalem Leitungswasser 1 – 2 Minuten vorgewässert. Anschliessend wird der Tank geleert.
  2. Der Entwickler wird eingegossen. Während der ersten Minute wird der mit dem Deckel verschlossene Tank gekippt, danach jede weitere Minute noch 3x.
  3. Das Caffenol wird in den Ausguss gegossen. Um den Entwicklungsvorgang zu stoppen genügt normales Leitungswasser. Ich persönlich fülle den Tank mehrmals nacheinander und kippe ihn jeweils 8x, bis das ausgegossene Wasser klar ist.
  4. Wie bei den üblichen Verfahren wird jetzt der Film, immer noch bei verschlossenem Tank, mit einem Produkt der Wahl fixiert. Der Fixierer kann mehrmals verwendet werden und darf nicht in den Ausguss gegeben werden!
  5. Die Schlusswässerung schliesst den Entwicklungsvorgang ab. Ich wässere den Film zuerst mit einer Wässerungshilfe während 2 Minuten. Danach kippe ich den Tank mit frischem Wasser 5x, danach 10x und zuletzt nochmal 20x.
  6. Nun wird der Tank endlich geöffnet.
  7. Ein kurzes Bad (30 – 60 Sekunden) in einem Netzmittel schliesst den ganzen Vorgang ab. Danach wird der Filmstreifen zum Trocknen aufgehängt.

Für alle, die bereits Erfahrung in der Filmentwicklung haben, sollte die Entwicklung mit Caffenol gelingen und gute Ergebnisse liefern. Aber…

Das fertig gemixte Caffenol wird in den Entwicklungstank eingefüllt.

Aus Fehlern lernen

Es ist wirklich einfach, Schwarzweiss-Filme mit Caffenol zu entwickeln. Bei der Entdeckungsreise mit Röfe in der Welt des Caffenols haben wir trotzdem Lehrgeld bezahlt. Röfe hat schon früher erfolgreich mit Caffenol entwickelt. Ohne gross zu überlegen, bereiten wir den Entwickler für den ersten Film vor – alles nach dem Rezept Caffenol-C-L. Die Standentwicklung dauert 70 Minuten, während denen wir ausgiebig Zeit für ein angeregtes Gespräch bei einem perfekten Kaffee haben. Voller Spannung geht es danach in die Waschküche, wo wir mit den weiteren Prozessen der Filmentwicklung abschliessen. Freudig öffnen wir den Entwicklungstank und müssen mit Schrecken feststellen, dass der Filmstreifen vollständig transparent ist. Nach der ersten Enttäuschung beginnt die Suche nach dem möglichen Fehler. Der erste Gedanke: Ist das Vitamin C, das Röfe mitgebracht hat, vielleicht zu alt? Wir starten einen weiteren Versuch mit der frisch gekauften Ascorbinsäure. Doch der Filmstreifen mit meinen 10 Aufnahmen ist erneut vollkommen transparent. Nun beginnt das grosse Grübeln, Recherchieren, Lesen! Am Vitamin C sollte es nicht gelegen haben. Auch der Kaffee dürfte eher wenig Probleme bereiten. Mindestens Spuren einer Belichtung sollten doch auf den Negativen zu sehen sein. Wie sieht es mit dem Waschsoda aus? Online finden wir dann den vermutlichen Schlüssel zur Lösung unseres Problems. Wir lesen von wasserfreiem Sodapulver und von Varianten mit Kristallen. Wird zu wenig Soda verwendet, können die entwickelnden Substanzen Kaffeesäure und Vitamin C nicht aktiv werden! In der Publikation «The Caffenol Cookbook & Bible» wird beschrieben, wie der Wassergehalt von Waschsoda ermittelt werden kann. Das muss geklärt werden! 100 Gramm meines Waschsodas werden abgewogen und für 20 Minuten in den auf 120 Grad vorgeheizten Backofen gestellt. Danach wird nachgewogen. Das Problem ist gefunden: Das Gewicht meines Sodas ist von 100 Gramm auf 48 Gramm geschrumpft. Somit haben wir die Dosierung bei unseren Versuchen deutlich zu gering gewählt. Röfe hat bei seinem früheren Versuch vermutlich unbewusst mit wasserfreiem Soda gearbeitet. Dass das von mir gekaufte Produkt wegen dem hohen Wasseranteil nicht funktioniert hat, ist somit nicht verwunderlich. Am nächsten Morgen mache ich mit dem Restfilm drei neue Testaufnahmen und entwickle das Filmstück danach mit angepasster Sodamenge und erziele damit gute Ergebnisse.

Transparenter Filmstreifen nach einem Fehlversuch mit Caffenol.
Gelungene Filmentwicklung mit Caffenol
Mit Caffenol -C-M entwickeltes Bild.

Film: Lomography Earl Grey 100 / Entwickelt mit Caffenol-C-M

Fazit

Die Filmentwicklung mit Caffenol ist keine Hexerei und führt zu qualitativ sehr guten Ergebnissen. Von den verwendeten Zutaten erwies sich lediglich das Waschsoda als kritisch. Hier muss unbedingt der Wassergehalt von kristallinem Soda berücksichtigt werden. Dann sollten äusserst befriedigenden Ergebnissen nichts mehr im Weg stehen. Der Prozess kann basierend auf gemachten Erfahrungen angepasst werden. Um konsistente Resultate zu erzielen, empfiehlt es sich, die Änderungen möglichst überschaubar zu halten. Beim Instant-Kaffee sollte immer auf das gleiche Produkt zurückgegriffen werden. Und auch bei den Filmen ist es empfehlenswert, sich auf einen niedrig empfindlichen und einen hoch empfindlichen Film zu konzentrieren. Wie unsere Erfahrungen gezeigt haben, wird am besten mit wenig aufwendigen Testaufnahmen getestet. Sind die ersten Erfahrungen gesammelt, sind mit der Caffenol-Entwicklung keine grossen Probleme mehr zu erwarten.

Mit Caffenol -C-L entwickeltes Bild.

Film: Kentmere 400 / Entwickelt mit Caffenol-C-L

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