Horizont – eine russische Panoramakamera, die auffällt

Eine Kamera tanzt aus der Reihe

In diesem Blogbeitrag werde ich die Horizont Panoramakamera vorstellen, die sich durch ihr ungewöhnliches Design auszeichnet und sich deutlich von traditionellen Kameras unterscheidet. Anstelle des üblichen Objektivs auf der Vorderseite verfügt sie lediglich über eine auffällige Wölbung. Wird der Auslöser auf der Oberseite gedrückt, beginnt diese gewölbte Abdeckung im Gegenuhrzeigersinn zu rotieren. Dabei zieht ein vertikaler Schlitz seitlich in dieser Ausbuchtung die Aufmerksamkeit auf sich. Erst beim Blick durch diese vertikale rechteckige Öffnung ist versteckt das recht kleine Objektiv zu erkennen.

Tauchen wir nun gemeinsam in die Details ein, um dieses faszinierende Panoramakamera besser zu verstehen.

Horizont Panoramic Camera

Die russische Panoramakamera

Die Horizont-Kamera wurde im Zeitraum von 1967 bis 1973 von der Firma KMZ (Krasnogorski Mekhanicheskii Zavod) in Krasnogorsk, nahe Moskau, hergestellt. Insgesamt wurden fast 50’000 Exemplare produziert und unter verschiedenen Bezeichnungen weltweit vertrieben, darunter Horizont Revue (Foto Quelle Deutschland), Kalimar Wide-X (USA) und Global-H (Australien).
Die Kamera funktioniert vollmechanisch und hinterlässt einen soliden ersten Eindruck, wenn man sie in die Hand nimmt. Dies spiegelt sich auch in ihrem Gewicht von etwa 930 g wieder. Zum Lieferumfang gehörte ein aufsteckbarer Sucher, ein Handgriff, der am Stativgewinde auf der Unterseite der Kamera befestigt wurde, sowie eine Kameratasche aus Leder.

Wenige Bedienelemente

Die Bedienelemente der Horizont Panoramakamera befinden sich vorwiegend auf der Oberseite der Kamera. Ganz rechts aussen sitzt der grosse Knopf für den Filmtransport. Wenn man diesen in Pfeilrichtung dreht, wird die Kamera «gespannt», oder wohl eher wie eine Uhr aufgezogen. Die Funktionsweise wird weiter unten im Detail erläutert. In diesen Transportknopf ist das Filmzählwerk integriert. Wird der Knopf nach oben gezogen, erscheint ein Einstellungsrad, mit dem der Zähler auf die Startposition zurückgesetzt werden kann. Direkt daneben befindet sich der Auslöser, der über ein Innengewinde für den Anschluss eines Drahtauslösers verfügt.
In der Mitte der Kameraoberseite sind Einstellscheiben für die Auswahl von Verschlusszeit und Blende konzentrisch angeordnet. Ergänzt werden sie durch eine Merkscheibe für die Filmempfindlichkeit, die mit Skalen für DIN-Werte und der russischen Einheit GOST versehen ist. Die Verschlusszeiten sind mit 1/30, 1/60 und 1/125 s etwas begrenzt. Bei spätere hergestellten Modellen, wie dem vorliegenden, gibt es oft noch einen Punkt auf dem Verschlusszeitenrad, der die Wahl einer Verschlusszeit von 1/250 Sekunde ermöglicht. Der einstellbare Blendenbereich liegt zwischen Werten von 2.8 und 16 und entspricht in etwa dem, was man von anderen Kameras kennt.
Der Rückspulknopf ist nur sichtbar, wenn der Sucher abgenommen wird, und befindet sich links auf der Oberseite der Kamera. Er ist im Gehäuse versenkt und kann durch eine leichte Drehung gegen den Uhrzeigersinn entriegelt und herausgehoben werden.
Etwas ungewöhnlich ist der Zubehörschuh auf der Vorderseite der Kamera, der hauptsächlich für die Fixierung des grossen Suchers vorgesehen ist. Wird dieser aufgesteckt, verbirgt er den Rückspulknopf, wie bereits erwähnt, vollständig.
Die übrigen Bedienelemente sind schnell aufgezählt. Auf beiden Seiten des Gehäuses sind solide Ösen vorhanden, um einen Kameragurt zu befestigen. Auf der linken Seite des Gehäuses befindet sich unten ein Riegel zum Öffnen der Kamerarückwand.
Besonders nützlich ist das im Kameraboden integrierte Stativgewinde. Mit seinem 1/4-Zoll-Gewinde passt es ohne Adapter zu gängigen Dreibeinstativen. Zuletzt ist noch der Druckknopf zur Entriegelung des belichteten Films zu nennen, der ebenfalls auf der Bodenplatte versenkt in einer Mulde zu finden ist.

Oberseite der Horizont Panoramakamera mit den wesentlichen Bedienelementen.
Detail der Einstellungsringe fpr Verschlusszeiten und Blenden
Der Rückspulknopf auf der Kameraoberseite kann vollständig versenkt werden.
Der Boden der Horizont Panoramakamera mit dem Stativgewinde und der Entriegelung fürs Zurückspulen des Films.

Aufsteckbarer Panoramasucher

Bei Aufnahmen mit der Horizont Panoramakamera wird der aufzunehmende Ausschnitt mithilfe des aufsteckbaren Suchers bestimmt. Dieser verfügt über eine 0.4-fache Okularvergrösserung und deckt in etwa ein Blickfeld von 110 Grad in der Breite und 44 Grad in der Vertikalen ab (Quelle: zenitcamera.com). Es darf deshalb nicht erwartet werden, dass das Sucherbild exakt mit der tatsächlichen Aufnahme übereinstimmt, die einen Winkel von 120 Grad abdeckt. Über die frühen Modellen ist zu lesen, dass die Aufstecksucher leicht aus der Halterung rutschen können, was bei meinem Modell jedoch keine Probleme verursacht. Der Sucher sitzt fest im Zubehörschuh. Dennoch scheint das gewölbte Frontglas exponiert zu sein und anfällig für Stösse. Beim Kauf meiner Kamera war es bereits gesprungen, doch bietet es dennoch die notwendige Unterstützung bei der Wahl des gewünschten Ausschnitts im praktischen Einsatz.
Horizontale Linien werden mit der Horizont nur dann gerade abgebildet, wenn die Panoramakamera korrekt in der Horizontalen ausgerichtet ist. Eine in die Oberseite des Suchers integrierte Libelle bietet dazu die notwendige Unterstützung. Sie ist transparent und wird über einen kleinen Spiegel ins Sucherbild eingeblendet. Auf diese Weise ist es möglich, sowohl von oben als auch beim Blick durch den Sucher die korrekte Ausrichtung zu kontrollieren.

So funktioniert die Kamera

Das Objektiv dreht sich nach der Auslösung mit dem Tubus um eine vertikale Achse und belichtet so einen 58 mm langen Bereich des Filmstreifens, welcher in der Kamera auf der ebenfalls gewölbten Filmebene gehalten wird. Die Drehung verläuft bei allen Verschlusszeiten immer gleich schnell. Wichtig ist,  dass mechanisch alles optimal läuft und eine gleichmässige Bewegung garantiert ist. Wenn dies nicht der Fall ist, können senkrechte Steifen im Bild auftreten. Von diesem Problem wird recht häufig berichtet, vor allem bei den kürzeren Belichtungszeiten. Beim oben geschilderten Konzept der Belichtung ist der Einsatz von Blitzen natürlich nicht möglich, da damit nur ein Teil des gesamten Panoramabildes entsprechend ausgeleuchtet würde sein würde.
Wer sich vertieft mit technischen Details zum Auslösevorgang beschäftigen möchte, findet auf den Seiten von zenitcamera.com eine Skizze, welche Aufbau und Funktionsweise im Detail erläutert. Auch in meinem Beitrag zum Ersetzen der Lichtdichtungen bei der Horizont Kamera sind einige Details im Bild zu sehen.

Nach der Auslösung dreht sich das Objektiv zusammen mit dem Tubus um eine vertikale Achse und belichtet dabei nach und nach einen 58 mm langen Bereich des Filmstreifens, der in der Kamera auf der ebenfalls gewölbten Filmebene gehalten wird. Die Belichtungszeit wird nicht durch einen herkömmlichen Verschluss gebildet, sondern durch einen vertikalen Schlitz im Tubus, der sich im Inneren der Kamera befindet. Die Breite dieses Schlitzes beeinflusst die Belichtungszeit. Ein breiter Schlitz führt zu einer längeren Belichtungszeit, während ein schmaler Schlitz eine kürzere Belichtungszeit bedeutet. Diese Spaltbreite wird über die Verschlusszeitenscheibe oben auf der Kamera geregelt.

Es ist wichtig, dass das Objektiv sich bei allen Verschlusszeiten mit dem Tubus gleichmässig bewegt, um unerwünschte vertikale Streifen im Bild zu vermeiden. Dieses Problem tritt scheinbar besonders bei den kürzeren Belichtungszeiten immer wieder mal auf. Bei meiner Kamera habe ich diese Effekte bisher noch nie feststellen müssen. Aufgrund des Belichtungskonzepts ist der Einsatz von Blitzen nicht möglich, da damit nur ein Teil des gesamten Panoramabildes entsprechend ausgeleuchtet würde.

Für eine detaillierte Erklärung des Auslösevorgangs und weitere technische Informationen empfehle ich die Seite zenitcamera.com, auf der eine Skizze den Aufbau und die Funktionsweise im Detail erläutert. Zusätzlich sind in meinem Beitrag zum Ersatz der Lichtdichtungen bei der Horizont Kamera einige Bilddetails verfügbar.

Spaltöffnung bei 1/250 Sekunde (Screenshot aus einem SlowMotion Video)

Spaltöffnung bei 1/30 Sekunde (Screenshot aus einem SlowMotion Video)

Das kompakte Objektiv

Das verbaute Objektiv OF-28P ist äusserst kompakt konstruiert und besitzt einen Fixfokus, der immer auf unendlich eingestellt ist. Die Tiefenschärfe kann nur über die Wahl der Blende zwischen 2.8 und 16 beeinflusst werden. Bei Auswahl der kleinsten Blende, Blende 16, werden alle Objekte im Bereich von einem Meter bis unendlich scharf abgebildet. Bei Blende 2.8 reicht der Schärfenbereich nur noch von 5.5 m bis unendlich. Die Tabelle zeigt die Details.

Blende Tiefenschärfe
2.8 5.5 m bis ∞
4 3.9 m bis ∞
5.6 2.9 m bis ∞
8 2 m bis ∞
11 1.5 m bis ∞
16 1 m bis ∞

Film rein und loslegen

Die Horizont Panoramakamera verwendet ganz normale Kleinbildfilme. Mit dem Aufnahmeformat von 24 x 58 mm passen in der Regel erstaunliche 21 Bilder auf einen 36er-Film. Wer beim Einlegen des Films noch nicht so routiniert ist, schafft sicherlich 20 Bilder. Dieses Format wurde vom Hersteller bewusst gewählt, damit die Negative mit Vergrösserungsgeräten für die Formate 6 x 6 oder 6 x 9 cm vergrössert werden können.

Das Einlegen des Films in die Panoramakamera erfordert anfangs etwas Übung, wird aber mit der Zeit deutlich einfacher. Hier ist meine Vorgehensweise:

  1. Bei geöffneter Rückwand gebe ich zuerst den Rückspulknopf, wie weiter oben beschrieben, aus dem Gehäuse.
  2. Anschliessend ziehe ich ein etwa 8 cm langes Stück Film aus der Patrone und schiebe diesen Streifen unter der ersten Führungsrolle im linken Bereich der Filmkammer hindurch.
  3. Danach lege ich die Filmpatrone richtig ein und verankere sie.
  4. Der Filmstreifen kann nun leicht über die gewölbte Filmebene gezogen werden, bis er die Transportrolle mit den beiden Zahnkränzen erreicht.
  5. Hier ist etwas Vorsicht geboten. Zunächst stelle ich sicher, dass der längere Teil der Filmlasche sauber vom unteren Zahnkranz erfasst wird.
  6. Mit dem Transportknopf drehe ich den Film vorsichtig weiter und achte genau darauf, dass auch die zweite Perforation am oberen Rand des Films sauber im entsprechenden Zahnkranz verläuft.
  7. Sobald der Filmstreifen weit genug hinter der Aufnahmespule hervorragt, verankere ich die Lasche im schmalen Schlitz dieser Spule.
  8. Mit dem Daumen drehe ich die Aufnahmespule etwas weiter. Dabei kontrolliere ich erneut die korrekte Führung in den Zahnkränzen und spanne gleichzeitig den Film, damit er fest auf der gewölbten Filmebene aufliegt.
  9. Wenn ich das Gefühl habe, dass der Film richtig sitzt, schließe ich die Kamerarückwand.
  10. Mit dem abgenommenen Sucher transportiere ich noch eine Aufnahme weiter. Dabei sollte sich der Rückspulknopf während dem Filmtransport mitdrehen!
  11. Als letzte Handlung vor der ersten Aufnahme stelle ich das Zählwerk auf 1.
Innen an der Kamerawand findet sich noch ein Schema fürs korrekte Einlegen des Films

Innen an der Kamerawand findet sich noch ein Schema fürs korrekte Einlegen des Films

Zurück in die Filmpatrone

Ist der Film belichtet, wird er zurück in die Filmpatrone gedreht. Über den auf der Kameraunterseite eingelassenen Stift wird zuerst der Film entriegelt. Das Rückspulen fällt nicht ganz leicht, bis man den Dreh raus hat. Der Rückspulknopf sollte während dem gesamten Vorgang nie losgelassen werden, da sich sonst das Filmmaterial in der Patrone blitzschnell lockert und es danach wieder einige Umdrehungen braucht, um den Film erneut zu spannen. Am besten hält man während dem ganzen Prozess die Spannung aufrecht, was durch die nicht optimale Ergonomie des Rückspulknopfes etwas erschwert wird.
Bei meiner Kamera spürte ich bei den ersten beiden Filmen beim Zurückspulen einen ungewöhnlich starken Widerstand. Obwohl ich Bedenken hatte, dass der Filmstreifen reissen könnte, gelang es mir beide Male, den Film mit erhöhtem Kraftaufwand zurück in die Patrone zu drehen. Ich hatte den Eindruck, dass im Inneren der Kamera nicht alles so geschmeidig lief, wie es sollte. Deshalb ölte ich nach den ersten beiden Filmen die linke Führungsrolle mit einem Holzzahnstocher. Dabei gab ich nur ein winziges Tröpfchen Öl oben und unten auf die Achse und bewegte anschliessend die Rolle mit dem Finger mehrmals um die eigene Achse. Damit war schliesslich das Problem gelöst.

Mein Fazit

Die Horizont Panoramakamera fällt zweifellos aus dem Rahmen im Vergleich zu traditionellen Kameras. Ihr ungewöhnliches Design, das anstelle eines herkömmlichen Objektivs über einen Schwenkmechanismus verfügt, macht sie zu einem Blickfang. Die Kamera besticht durch ihre Vollmechanik und die solide Verarbeitung, was sich auch in ihrem Gewicht von etwa 930 Gramm widerspiegelt. Dies spürt man, wenn man die Horizont mitträgt! Die Umsetzung der Verschlusszeit über die veränderbare Schlitzbreite im rotierenden Tubus funktioniert bei meiner Kamera bestens, die Drehgeschwindigkeit ist konstant und liefert somit gute Bildergebnisse.
Die Bedienelemente der Horizont Panoramakamera sind überschaubar, reichen jedoch vollkommen aus. Eher wenig Spielraum bei der Belichtung lassen die drei Verschlusszeiten zu. Mit der Wahl des passenden Filmmaterials lassen sich trotzdem erstaunliche Bilder einfangen.
Die Horizont Panoramakamera ist zweifellos eine einzigartige und faszinierende Kamera, die es wert ist, näher erkundet zu werden. Beim Kauf muss bedacht werden, dass nicht bei allen Exemplaren alles von Beginn weg reibungslos läuft. Auf die Problematik der sich zersetzenden Lichtdichtungen habe ich in einem separaten Beitrag bereits aufmerksam gemacht. Wer möchte, kann sich das passende Video zum Austausch der Lichtdichtungen zudem auf meinem YouTube-Kanal anschauen.

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