Klassische Eleganz – die Kodak Retina Reflex IV im Detail

Mit Kodak Retina Kameras beschäftige ich mich bereits seit geraumer Zeit. Bislang konzentrierte ich mich jedoch hauptsächlich auf die kleineren Modelle mit einfachem Sucher oder Messsucher. Im Jahr 2023 ergab sich jedoch die Gelegenheit, eine Kodak Retina Reflex IV zu einem erschwinglichen Preis zu erwerben. Im Vergleich zu den Kameras der «normalen» Retina-Reihe fällt das Gehäuse dieser Kamera deutlich grösser und schwerer aus. Das ist nicht überraschend, da ein Pentaprisma und das Spiegelsystem Platz finden mussten. Die Kodak Retina Reflex IV präsentiert sich somit schon auf den ersten Blick deutlich als einäugige Spiegelreflexkamera (SLR). Sie stellt das letzte Modell der Reflex-Reihe dar, ja sogar das letzte Retina-Modell insgesamt. Ihre Produktionszeit erstreckte sich von 1964 bis 1967.

Drei Kodak Retina Kameras

Die Kodak Retina Reflex IV zeichnet sich zweifellos durch ihren einzigartigen Charme und ein auffälliges Design aus. Im ersten Abschnitt dieses Beitrags werden die Bedienelemente kurz vorgestellt, bevor in den folgenden Unterabschnitten detaillierter auf bestimmte Abläufe beim Fotografieren mit der Kodak Retina Reflex IV eingegangen wird. Die technischen Daten der Kamera habe ich tabellarisch zusammengefasst auf einer separaten Seite.

Das Gehäuse und die Bedienelemente

Im Bereich der Oberseite der Kodak Retina Reflex IV fällt zunächst der Rückspulknopf auf, der sich ganz links aussen befindet und über eine ausklappbare Kurbel verfügt. Die Achse, die ins Kamerainnere führt, sowie der Kurbelgriff sind aus Kunststoff gefertigt. In der Mitte ragt der Blitzschuh mit Mittelkontakt aus dem Pentaprismenbuckel, was kabelloses Blitzen ermöglicht. Bei älteren Blitzen ist eine Verschlusszeit von 1/30 Sekunde einzustellen, während bei Elektronenblitzgeräten Verschlusszeiten bis zu 1/500 Sekunde möglich sind. Die beiden verbleibenden Elemente auf der Kameraoberseite sind im Zusammenhang mit der korrekten Belichtung von Bedeutung. In einem kleinen Fenster mit zwei Pfeilen und einer beweglichen Nadel kann bereits bei der Vorwahl von Verschlusszeit und Blende mit einem Blick von oben kontrolliert werden, ob die Belichtung stimmt. Daneben ist die Empfindlichkeit des eingelegten Films in DIN und ASA ablesbar. Die Einstellung dieses Werts wird weiter unten im Kapitel «Das Belichtungssystem» erläutert.

Die Bedienelemente auf der Oberseite der Kodak Retina Reflex IV

Weiter geht es mit der Frontseite der Kodak Retina Reflex IV. Der Auslöser liegt bei der Retina Reflex IV von vorne betrachtet auf der linken Seite des Objektivs. Dies ist im Vergleich zu anderen Kameras etwas ungewohnt, aber ergonomisch passt das wunderbar. Rechts neben dem Objektiv wurde ein zusätzliche Blitzkontakt für alle, die ihren Blitz mit Kabel verbinden müssen oder möchten, eingebaut.
Deutlich zu erkennen ist der Selen-Belichtungsmesser, während sich wohl viele beim ersten Kontakt mit der Kodak Retina Reflex IV die Frage stellen, welche Funktion wohl das kleine quadratische Fenster im Schriftzug vorne in der Mitte haben könnte. Das Rätsel wird im Unterkapitel «Das Belichtungssystem» gelüftet.

Die Frontseite der Kodak Retina Reflex IV

Auf dem Kameraboden der Kodak Retina Reflex IV sind verschiedene Bedienelemente positioniert. Das markanteste davon ist zweifellos der leicht geschwungene Schnellspannhebel, der sich rechts befindet. Diese eher ungewöhnliche Position ist auch bei anderen Retina Kameras zu finden. In der Krümmung dieses Hebels ist der Umstellknopf erkennbar. Durch Drücken dieses Knopfs kann mit der Rückspulkurbel ein belichteter Film in die Filmpatrone zurückgespult werden.
Etwa in der Mitte des Kamerabodens ist der Bildzähler eingelassen. Mithilfe des Bildzähl-Schaltknopfs kann die Anzeige für Filme mit weniger Aufnahmen nach dem Einlegen des Films durch mehrfaches Schieben nach links angepasst werden. Das Stativgewinde befindet sich ganz links aussen im Kameraboden. Dies ermöglicht wahrscheinlich, dass der Schnellspannhebel gut zugänglich bleibt, wenn die Kamera auf einem Stativ montiert ist. Unauffällig ist der sehr klein dimensionierte Knopf, mit dem die Kamerarückwand entriegelt wird. Er ist gut vor versehentlicher Betätigung geschützt, bereitet jedoch bei bewusster Bedienung leider eher Mühe, da er nur mit dem Fingernagel erfolgreich gedrückt werden kann.
Das letzte Element auf der Kameraunterseite ist das Einstellrädchen für Blende und Filmempfindlichkeit. Es ist vorne unter dem kleinen Vorsprung des Kameragehäuses angebracht. Die jeweilige Nutzung für das Einstellen der Filmempfindlichkeit und der Blendenöffnung ist in den entsprechenden Unterkapiteln beschrieben.

Die Kodak Retina Reflex IV von unten gesehen (1)
Die Kodak REtina Reflex IV von unten (2)

Die Rückseite der Kamera wird vom rechteckigen Sucher dominiert. Mit Abmessungen von 14 x 9 mm bietet er einen angenehmen, hellen Blick auf das Motiv. Brillenträger werden den Kunststoffrahmen zu schätzen wissen, der vor Kratzern auf den Brillengläsern schützt.
Das zweite Element auf der Rückseite ist ein unscheinbarer Knopf rechts oben. Wird dieser mit einem Finger nach oben geschoben, entriegelt er auf der Kameraoberseite die Skala für die Anzeige der Filmempfindlichkeit. Danach wird mit dem gleichen Einstellrad wie für die Blendenwahl die Empfindlichkeit des eingelegten Films eingestellt.

Die Rückseite der Kodak Retina Reflex IV

Eine Systemkamera mit Zentralverschluss

Die vorgestellte Kamera ist mit einem vierlinsigen Retina Xenar mit einer maximalen Blendenöffnung von 2.8 und einer Brennweite von 50 mm ausgestattet. Alternativ wurde auch ein Retina Xenon 1.9/50 mm angeboten. Beide Objektive ermöglichen eine Fokussierung von 60 cm im Nahbereich bis unendlich. Zusätzlich sind kompatible Wechselobjektive mit dem für die Kodak Retina Reflex IV verwendeten Compur-Bajonett verfügbar, die Brennweiten von 28 mm bis zu 200 mm abdecken (Nagel 1987, S. 87).

Das Bajonett wurde direkt in den Synchro Compur Verschluss integriert. Diese Zentralverschlüsse erwiesen sich jedoch bald als nicht konkurrenzfähig im Vergleich zu den Herstellern, die zur gleichen Zeit auf Schlitzverschlüsse setzten. Mit dem Zentralverschluss stiessen die Konstrukteure bei einer kürzesten Verschlusszeit von 1/500 an die Grenzen des Machbaren. Zudem gestaltete sich die Konstruktion bei einer Spiegelreflexkamera wie der hier beschriebenen Kodak Retina Reflex IV als äusserst aufwendig. Der Synchro Compur Verschluss liegt vor dem Spiegel der Kamera, während Schlitzverschlüsse direkt vor der Filmebene laufen.

Die Kodak Retina Reflex IV verfügt über keinen Rückschwingspiegel. Um den Blick durch den Reflexsucher zu ermöglichen, muss die Kamera gespannt werden. Erst dann ist der Blick durch das Objektiv frei. Mit dem Spannvorgang werden mehrere Schritte in Gang gesetzt, was die raffinierte Konstruktion der Retina Kameras zeigt.

Beim Spannen der Kamera mit dem Schnellspannhebel wird der Film um ein Bild weiter transportiert und das Zählwerk entsprechend aktualisiert. Gleichzeitig schwenkt eine Abdeckplatte nach unten und schützt den Film vor Lichteinfall. Der Spiegel wird danach auf eine Schräge von 45 Grad nach unten gesenkt. Blende und Verschluss öffnen sich und geben so den Blick durch Sucher und Objektiv frei.

Abdeckplatte schützt den Film vor Lichteinfall bei der Kodak REtina Reflex IV

Ist die Kamera gespannt, schützt die Abdeckplatte den Film vor einfallendem Licht…

Der Spiegel der Kodak Retina Reflex IV in abgesenkten Zustand

…und der der 45° schräg gestellte Spiegel ermöglicht den Blick durch Sucher und Objektiv.

Wenn nun der Auslöser gedrückt wird, setzt die oben beschriebene Mechanik erneut ein. Der Verschluss schliesst sich, die Blende springt auf den eingestellten Wert, und der Spiegel schwingt blitzschnell nach oben. Anschliessend klappt auch die Abdeckplatte vor der Filmebene nach oben. Schliesslich öffnet sich der Verschluss, um den Film mit der vorgegebenen Verschlusszeit zu belichten. All diese mechanischen Abläufe dauern etwa 1/50 Sekunde – eine beeindruckende technische Meisterleistung. Erst wenn der Schnellspannhebel erneut betätigt wird, ist der Blick durch den Sucher wieder frei.

Sucher und Motivwahl

Das Sucherbild der Kodak Retina Reflex IV ist angenehm gross und hell. Beim Blick durch den Sucher kann die Belichtung über die am linken Rand sichtbare Belichtungsanzeige kontrolliert werden. Unterhalb des Sucherfelds wird die gewählte Verschlusszeit und die eingestellte Blende durch das winzige, quadratische Fenster auf der Frontseite der Kamera eingeblendet. Um die korrekte Fokussierung zu erleichtern, ist die Kodak Retina Reflex IV mit einem Schnittbild-Entfernungsmesser ausgestattet. Das Besondere daran: Er ist um 45 Grad schräg angeordnet, wodurch bei gleicher Kamerahaltung sowohl senkrechte als auch horizontale Linien zum exakten Scharfstellen genutzt werden können.

Im Sucher sichtbare Elemente (aus dem Handbuch zur Kodak Retina Reflex IV)

Sichtbare Elemente im Sucher (Quelle: Anleitung Retina Reflex IV, Seite 4)

Das Belichtungssystem

In die Kodak Retina Reflex ist ein nicht gekoppelter Selen-Belichtungsmesser von Gossen integriert. Eine Anzeige findet sich auf der Kameraoberseite, die zweite links neben dem Sucherbild, wie bereits weiter oben beschrieben.
Für die korrekte Belichtung wird zunächst die zum eingelegten Film passende Empfindlichkeit eingestellt. Dazu wird der kleine Sperrknopf rechts oben an der Kamerarückseite nach oben geschoben, während gleichzeitig das Einstellrad unter dem Verschluss gedreht wird. Dabei bewegt sich die Skala mit den Filmempfindlichkeiten oben auf der Kamera auf den gewünschten Wert. Nun ist die Kamera einsatzbereit.

Einstellen der Filmempfindlichkeit bei der Kodak REtina Reflex IV

Für jede Aufnahme wird mithilfe des eingebauten Belichtungsmessers eine geeignete Kombination von Verschlusszeit und Blende bestimmt. Verschlusszeiten und Blendeneinstellungen sind am Objektiv gekreuzt miteinander verbunden. Wenn nach erfolgter Messung die Verschlusszeit verstellt wird, dreht sich der Blendenring entsprechend in die entgegengesetzte Richtung. So kann eine neue Kombination leicht eingestellt werden, ohne dass die Belichtung erneut gemessen werden muss. Gleichzeitig ändert sich oben auf dem Objektiv die Schärfentiefen-Anzeige.

Einstellungen für Verschlusszeit und Blende auf dem Objektiv der Retina Reflex IV.

Laden und entladen eines Films

Das Einlegen eines Films in die Kodak Retina Reflex IV erfolgt durch Ausklappen der Rückspulkurbel, wodurch der Rückspulknopf sich löst und vollständig herausgezogen werden kann. Anschliessend wird der Öffnungsknopf auf der Unterseite gedrückt, um den die Kamerarückwand zu öffnen.
Der Filmanfang wird nun in den weissen Schlitz der Aufnahmespule geschoben, bis der kleine Haken an der Spule in ein Perforationsloch des Films greift. Danach wird der Film über die Filmbahn gezogen und die Filmpatrone in die Filmkammer eingelegt. Der Rückspulknopf wird wieder vollständig ins Kameragehäuse gedrückt, wodurch die Patrone sicher gehalten wird.

Der Film wird dann so weit auf die Aufnahmespule gedreht, bis die zweite Perforationsreihe des Films ebenfalls in den Zahnkranz der Filmtransportrolle greift. Um den Filmstreifen zu straffen, wird die Kurbel sorgfältig in Pfeilrichtung gedreht. Anschliessend wird die Kamerarückwand geschlossen.

Ist der Film vollständig belichtet, wird die Rückspulkurbel ganz herausgeklappt, wobei der Rückspulknopf etwas nach oben springt. Bevor der Film zurück in die Patrone gespult werden kann, muss der Umschaltknopf in der Biegung des Schnellspannhebels gedrückt werden. Nun wird die Rückspulkurbel in Pfeilrichtung gedreht, bis sich die Markierung auf dem Umschaltknopf nicht mehr dreht. Danach wird die Rückwand geöffnet und die Filmpatrone herausgenommen.

Fazit

Meine Kodak Retina Reflex IV erhielt ich in ausserordentlich gutem Zustand. Mit ihrer soliden Bauweise, die sich auch im Gewicht niederschlägt, machte sie bereits vor dem ersten Einsatz einen total vertrauenswürdigen Eindruck. Der bestätigte sich dann beim Belichten des ersten Films. Mit Begeisterung nehme ich die Kamera deshalb regelmässig mit auf meine PhotoWalks und bin noch nie von ihr enttäuscht worden.

Literatur

Nagel, Helmut.
Zauber der Kamera : Beispiele aus dem Kodak-Nagel-Werk
Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1977

Coe, Brian, Christa Wagner, and Rolf Wagner
Kodak: die Kameras von 1888 bis heute
München: Callway, 1990

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